Auffälligkeiten in Arbeitszeugnissen für Erzieher/-innen

Studien

Untersuchung von Auffälligkeiten in qualifizierten Arbeitszeugnissen im Beruf Erzieher/-in
Eine Studie von arbeitszeugnis. de, dem Zeugnis-Portal der Personalmanagement Service GmbH;
durchgeführt von Manuela Stoss und Klaus Schiller, Berlin, Mai 2013

Einleitung

Das Portal arbeitszeugnis.de bietet Arbeitnehmern mit dem „Zeugnistest“ die Möglichkeit, ein Arbeitszeugnis direkt nach Erhalt auf Noten und Auffälligkeiten untersuchen zu lassen. Dies Angebot wurde seit dem Jahre 2000 bereits über 25.000 mal in Anspruch genommen. Dieser breite Fundus an Erfahrungen ermöglicht es dem Analyse-Team von arbeitszeugnis.de, regelmäßig statistische Auswertungen zu Entwicklungen in der Zeugnissprache und zu berufsspezifischen Auffälligkeiten durchzuführen. Diese neue Studie fasst die Besonderheiten von Arbeitszeugnissen im Berufsbild Erzieher/-in zusammen.

Die Geschichte des Arbeitszeugnisses

Arbeitszeugnisse, wie wir sie heute kennen, sind das Ergebnis einer rund 500-jährigen Entwicklung. An deren Anfang standen Urkunden mit Namen wie „Abschied", „Kundschaft" oder „Pasport", die Beschäftigte bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses erhielten und bei Antritt eines neuen Arbeitsverhältnisses vorzulegen hatten. Damit sollten dem neuen Arbeitgeber und den lokalen Polizeibehörden unliebsame Überraschungen erspart bleiben. Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte sich aus dem Kontroll- und Disziplinierungsinstrument ein Beurteilungsinstrument, welches im Sinne einer Empfehlung auch dem beruflichen Weiterkommen der Arbeitnehmer diente. In den letzten hundert Jahren haben sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen der Zeugnisausstellung nur wenig verändert, wohl aber die Praxis der Zeugnisschreibung.

Bis in die 1960er Jahre wurde eher knapp und überwiegend im Klartext formuliert, wobei ein Gesamturteil bereits durch die bekannte Zufriedenheitsformel (z.B. „... stets zu unserer vollen Zufriedenheit“) zum Ausdruck gebracht wurde. Ab den 1970er Jahren führten dann die zunehmende öffentliche Diskussion über „Zeugniscodes" sowie die Verbreitung von Ratgeberliteratur zu einer weiteren Formalisierung der Zeugnissprache. Zunehmend wurden Leistungsaussagen mit Schulnoten verknüpft und in dieser Form als Textbausteine verbreitet. Das Aufkommen von Software zur Zeugniserstellung hat diesen Trend weiter verstärkt.

Die weit verbreitete Ansicht, dass jeder Arbeitnehmer Anspruch auf ein gutes Zeugnis hätte und/oder Arbeitszeugnisse generell in einem „Geheimcode“ geschrieben seinen, mit dem sich Arbeitgeber verdeckte Informationen übermitteln, ist nicht korrekt. Denn Arbeitnehmer haben nur Anspruch auf eine wohlwollende (statt bösartige) Betrachtung der Leistung, nicht aber auf eine gute Bewertung und „Geheimcodes“ sind gesetzlich verboten. Eine ausführliche Erläuterung zur Zeugnissprache ist im Artikel „Der Arbeitszeugnis-Code“ auf www.arbeitszeugnis.de zu finden.

Generelle Anforderungen an ein Arbeitszeugnis (branchenübergreifend)

Im Unterschied zum international üblichen „Letter of Reference“ ist das deutsche Arbeitszeugnis kein freiwilliges Empfehlungsschreiben, sondern eine (in der Regel zweiseitige) Urkunde, auf die jeder Arbeitnehmer ein Anrecht hat. Die Struktur von Arbeitszeugnissen ist dabei weitgehend standardisiert. Nach den wertfreien Angaben zum Zeugnisempfänger (Name, Geburtsdatum) folgen ebenfalls wertfreie Aussagen zum Werdegang im Unternehmen und zu den hierbei ausgeführten Aufgaben. Anschließend beginnt der Leistungsteil.

Er bewertet nacheinander und in jeweils eigenständigen Sätzen zunächst die drei theoretischen Aspekte „Arbeitsbereitschaft“ (u.a. Motivation, Engagement, Eigeninitiative), „Arbeitsbefähigung“ (z.B. analytisch-konzeptionelles Denk- und Urteilsvermögen, Belastbarkeit, Auffassungsgabe) und „Fachwissen“.

Die praktische Umsetzung dieser drei theoretischen Leistungsaspekte wird anschließend mit der „Arbeitsweise“ (u.a. Effizienz, Selbstständigkeit, Sorgfalt, Zuverlässigkeit) und dem allgemeinen „Arbeitserfolg“ (wie z.B. Qualität und Quantität der Ergebnisse, Zielerreichung) bzw. den „konkreten Erfolgen“ (Beispiele für die erzielten Resultate in den genannten Hauptaufgaben) erörtert.

Der Leistungsteil endet mit der für die Gesamtnote entscheidenden Leistungszusammenfassung mit dem Grad der Zufriedenheit (z.B. „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ = Gesamtnote 2), anschließend erfolgt die Bewertung des Verhaltens. Das Zeugnis endet mit der Angabe des Beendigungsgrundes (Kündigung durch Arbeitgeber oder Arbeitnehmer, Aufhebungsvertrag, Fristablauf) und dem Schlussabschnitt mit der Dankes- und Bedauernsformel sowie den Zukunfts- und Erfolgswünschen.

Verlage, die nach diesem Schema in Fachbüchern und Software Textbausteine bereitstellen, sind natürlich an hohen Verkaufszahlen interessiert. Diese sind vor allem dann möglich, wenn die Textbausteine mehrheitlich so allgemein gehalten sind, dass sie für möglichst viele Berufe verwendet werden können. Als Beispiel sei die vielfach verwendete folgende Bescheinigung einer guten „Arbeitsbefähigung“ genannt: „Sie ist eine ausdauernde und sehr belastbare Mitarbeiterin, die ihr Aufgabengebiet stets gut bewältigt “. Diese Aussage kann zweifellos auf nahezu alle Berufe zutreffen, von Handwerker-Gehilfen über Krankenpfleger bis zur Leitung einer IT-Abteilung. Leistungs- und Verhaltensaspekte, die in dem jeweiligen Beruf besonders wichtig sind (wie z.B. die Verhandlungsstärke von Einkäufern oder das didaktische Geschick von Fachlehrern) bleiben hierbei unweigerlich unberücksichtigt. Daher gibt es vereinzelte Fachbücher, die auf eine Berufsgruppe spezialisiert sind, wie z.B. Bundeswehrangehörige oder Sozial- und Pflegeberufe.

Dass ein Arbeitszeugnis nach wie vor von hoher Bedeutung ist, zeigen die jährlich rund 30.000 Prozesse vor Arbeitsgerichten, die alleine in Deutschland wegen eines Arbeitszeugnisses geführt werden. Hierbei geht es oftmals nicht nur um unterschiedliche Auffassungen über eine gerechte Benotung, sondern auch um die Forderung vieler Arbeitnehmer, wichtige Leistungsaspekte zu ergänzen, um bei potentiellen Arbeitgebern nicht den Eindruck zu erwecken, dass die fehlenden Aussagen aufgrund von Leistungsmängeln bewusst ausgelassen wurden. Ein neueres Urteil des Bundesarbeitsgerichtes hat prägnante Lücken für ggf. unzulässig erklärt:

Zitat: „(...) Der weitere notwendige Zeugnisinhalt bestimmt sich nach dem Zeugnisbrauch. Dieser kann nach Branchen und Berufsgruppen unterschiedlich sein. Lässt ein erteiltes Zeugnis hiernach übliche Formulierungen ohne sachliche Rechtfertigung aus, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Ergänzung. Die Auslassung eines bestimmten Inhalts, der von einem einstellenden Arbeitgeber in einem Zeugnis erwartet wird, kann ein unzulässiges Geheimzeichen sein.“ - Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 12.08.2008 (Az. 9 AZR 632/07)

Besondere Anforderungen an Erzieher-Zeugnisse

Im vorherigen Abschnitt wurde aufgezeigt, dass Arbeitszeugnisse in ihrer Wortwahl auf die jeweiligen Berufe der Zeugnisempfänger abgestimmt sein sollten. Im Beruf Erzieher/-in sind Angaben zur pädagogischen Kompetenz ebenso von Bedeutung wie die Würdigung eines empathischen und geduldigen, aber auch konsequenten Umgangs mit Kindern. Darüber hinaus sind Aussagen zur flexiblen Anpassung der Arbeitszeiten an die Notwendigkeiten wichtig, wie z.B. bei kurzfristig anfallenden Krankheitsvertretungen. Zu den weiteren berufsspezifischen Anforderungen zählen eine hohe physische und psychische Belastbarkeit sowie eine sehr gute Beobachtungsgabe.

Zeugnis-Noten

Für die folgende Statistik wurden im ersten Quartal 2013 jeweils 100 Zeugnisse von Erziehern und Sozialpädagogen ausgewertet und den Gesamtnoten gegenübergestellt, die eine umfangreiche arbeitszeugnis.de-Studie aus dem Jahre 2010 für alle Berufe ergeben hatte.

Uebersicht

Die zentrale Auffälligkeit in dieser Gegenüberstellung stellt aus Sicht der Erzieher/-innen die mit 17% recht geringe Anzahl an Zeugnissen der Gesamtnote 1 dar. Entscheidend für diese Gesamtnote wäre die zusammenfassende Leistungsbewertung mit der Aussage „Er/Sie hat alle Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erfüllt“. Für die Gesamtnote 1,5 wird in der Regel die Aussage „zu unserer vollsten Zufriedenheit“ verwendet (ohne das Temporaladverb „stets“). Wesentlicher Grund hierfür scheint die regelmäßige kritische Reflektion der pädagogischen Arbeit im Team zu sein. Vorgesetzte, die über die Gesamtnoten der Zeugnisse entscheiden, haben dadurch unweigerlich selbst bei sehr guten Fachkräften nicht wenige objektive Gründe, von der Idealnote abzuweichen.

Die prägnanten Auffälligkeiten in Erzieher-Zeugnissen

In der folgenden Tabelle sind die Mängel in Erzieher-Zeugnissen in der Reihenfolge ihrer Häufigkeit aufgelistet:

Häufige Zeugnismängel

Wenn man die in den Zeugnissen genannten Aufgaben mit den Bewertungen abgleicht, erscheinen diese in vielen Fällen nicht hinreichend aufeinander abgestimmt. D.h. die bescheinigten Leistungen decken sich in vielen Fällen nicht so recht mit den Qualifikationen, welche anhand der Aufgabenbeschreibung erforderlich sind. 86% der Erzieher-Zeugnisse weisen daher prägnante Lücken auf. Besonders auffällig in diesem Zusammenhang ist die fehlende Bewertung des Fachwissens (pädagogische Kompetenz, Weiterbildung) und der Arbeitserfolge (z.B. Hinweise zur pädagogischen Qualität der für die Gruppe konzipierten Projekte). Die Quote liegt hier um ein Vielfaches höher als bei anderen Berufen.

Besonders widersprüchlich erscheint, dass bei 85% aller untersuchten Erzieher-Zeugnisse, also auch bei den zahlreichen überdurchschnittlichen Bewertungen, der Schlussteil Zweifel an einem einvernehmlichen Ausscheiden aufkommen lässt. Dies wird u.a. verursacht durch das Fehlen elementarer Angaben zum Abschied (z.B. Dank, Bedauern des Ausscheidens, Wünsche für die berufliche und die private Zukunft) sowie eine - in knapp jedem dritten Zeugnis zu findende - deutlich Abweichung zwischen dem offiziell letzten Arbeitstag und dem Tag der Ausstellung des Zeugnisses. Denn eine vorzeitige Ausstellung wird nicht selten als unvorteilhafter Hinweis auf eine Freistellung interpretiert, eine deutlich verspätete Ausstellung als Hinweis auf Streit, der ggf. auch vor einem Arbeitsgericht ausgetragen wurde. In immerhin 16% der untersuchten Abschlusszeugnisse fehlte der Grund für die Beendigung komplett, so dass hier von einer Arbeitgeberkündigung aufgrund von schwachen Leistungen auszugehen ist.

Die mit 69% recht hohe Quote an Mängeln im Verhaltensteil (z.B. die nicht erfolgte Erwähnung von Vorgesetzten bzw. Kollegen oder die Nennung der Kollegen vor den Vorgesetzten entgegen der Hierarchie) könnten ebenfalls als Hinweis darauf gedeutet werden, dass der Arbeitgeber (zumindest zum Zeitpunkt des Ausscheidens) stark verärgert war.

Drei von vier Erzieher-Zeugnissen (74%) enthalten zudem missverständliche bzw. mehrdeutige Formulierungen, die - oftmals unbeabsichtigt - ein schlechtes Licht auf die Beurteilten werfen (z.B. „Sie hinterließ bei uns einen zuverlässigen Eindruck“, „Er verfügt über das nötige Organisationsvermögen“, „Es gab keinen Anlass für Beanstandungen“, „Sie setzt Akzente durch ihre musikalischen Fähigkeiten“). Auffallend oft gelingt es den Ausstellern also nicht, Lob in einer der Zeugnissprache angemessenen Weise auszudrücken, so dass die Aussagen auf den Leser eher wie Kritik wirken. Diese unzureichende Beherrschung der Zeugnissprache spiegelt sich auch in der starken Abweichung von der gebräuchlichen Struktur bei immerhin 67% der Erzieher-Zeugnisse wider (siehe auch Abschnitt „Generelle Anforderungen an ein Arbeitszeugnis“). Die Quote der Zeugnisse, die stilistische bzw. orthografische Rechtschreibfehler aufweisen (z.B. groß geschriebene Personalpronomen wie in „Alle Ihr übertragenen Aufgaben erfüllte Sie gewissenhaft“) ist mit 65% ähnlich hoch. Wenngleich diese Fehler zwar der Zeugnis-Aussteller zu vertreten hat, fallen sie dennoch immer auch auf die Beurteilten zurück, da sie diese nicht bemerkt bzw. reklamiert haben. Da der Status eines Unterzeichners auch als Maßstab der Wertschätzung gilt, sollten Unterzeichner eines Zeugnisses durch maschinenschriftliche Ergänzungen in Vor- und Nachnamen sowie in ihrer Position klar identifizierbar sein. Dies trifft bei 40% der Erzieher-Zeugnisse nicht zu.

Ursachen und Schlussfolgerungen

Für Erzieher/-innen und ihre Vorgesetzten gehört es zum Arbeitsalltag, Leistungen und Verhalten in schriftlicher und mündlicher Form kritisch zu hinterfragen, um durch die intensive Reflektion eine kontinuierliche Verbesserung der gemeinsamen pädagogischen Arbeit zu erreichen. Dieser konstruktiv-kritische Beurteilungsstil spiegelt sich auch in den Erzieher-Zeugnissen wider. Im Gegensatz zu den meisten anderen Berufen sind Erzieher-Zeugnisse daher sehr individuell verfasst. Statt aus einer Aneinanderreihung von pauschalen Textbausteinen, wie sie z.B. bei Ingenieur-, Manager- oder Handwerksberufen üblich ist, bestehen Erzieher-Zeugnisse in der Regel aus differenzierten, authentischen Bewertungen, die auf eine gewissenhafte Auseinandersetzung mit den Stärken und Schwächen der Stelleninhaber schließen lassen.

Ansprechpartner: Manuela Stoss, Klaus Schiller

 

Weitere Infos

Haben Sie Fragen zu unseren Studien? Sehr gerne stehen wir Ihnen unter Tel. 030 /420 285 24 sowie per E-Mail unter kontakt@arbeitszeugnis.de zur Verfügung.

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