Woran erkennen Personaler, dass ein Zeugnis vom Arbeitnehmer selbst verfasst oder überarbeitet wurde?

Vielen Arbeitnehmern wird die Möglichkeit eingeräumt, an der Zeugnisschreibung mitzuwirken. Die geht mitunter soweit, dass mancher Arbeitgeber einem Arbeitnehmer die "lästige Pflicht" der Zeugnisschreibung vollständig überlässt und das Zeugnis lediglich unterschreibt - in der wohlwollenden Erwartung, dem Arbeitnehmer auf seinem weiteren Karriereweg somit bestmöglich geholfen zu haben. Ein erfahrener Personaler erkennt dieses Selbstlob bei der Sichtung von Bewerbungsunterlagen, denn er achtet auf die folgenden zehn typischen Auffälligkeiten eines Eigenentwurfes:

  1. Perspektive auf Aufgaben und Leistungen:

    Arbeitnehmer nehmen bei der Darstellung ihrer Aufgaben und Leistungen unweigerlich ihre eigene (subjektive) Sichtweise ein, nicht die (objektive) Perspektive des Arbeitgebers. Sie beschreiben Vorgehensweisen ("Sie befasste sich mit...") und betonen Problematiken ("Hierbei bestand die besondere Herausforderung darin, dass ... ") oder Ergebnisse ("Optimierung vom Prozessen durch...") statt Anforderungen.

  2. Betonung von Eigenverantwortung:

    Wohl jeder Arbeitnehmer legt besonderen Wert darauf, dass er bestimmte verantwortungsvolle Tätigkeiten seines Aufgabengebietes eigenverantwortlich ausgeführt hat. Oftmals werden daher in Eigenentwürfen einzelne, besonderes wichtige Tätigkeiten mit entsprechenden Adjektiven verstärkt ("Eigenständige Durchführung von ..."). Ein Arbeitgeber hingegen würde dies als selbstverständlich voraussetzen und stattdessen nicht eigenverantwortlich ausgeführte Tätigkeiten einschränken ("...in Abstimmung mit dem Vorgesetzten").

  3. Selbstlob:

    Auffallend oft erfolgt in Eigenentwürfen ein Lob auf Kosten des Unternehmens oder der Kollegen ("Obwohl sie in der Einarbeitungsphase auf sich allein gestellt war, ...". "Während einer längeren Erkrankung eines Kollegen übernahm er dessen Aufgabengebiet mit" usw.). Diese Form der (Selbst-)Kritik wäre von einem Arbeitgeber nicht zu erwarten.

  4. Ausgewogenheit:

    Da in Zeugnissen auch unterdurchschnittliche Leistungen noch wohlwollend umschrieben werden (z.B. ?Er/Sie hat unseren Erwartungen entsprochen? = Note 4), sind für die Bewertung guter und sehr guter Leistungen deutlich stärkere Formulierungen erforderlich (z.B. ?Seine/ Ihre Leistungen lagen stets sehr weit über unseren Erwartungen? = Note 1). Gute und sehr gute Zeugnisse lesen sich daher - gemessen am normalen Sprachgebrauch - unweigerlich etwas übertrieben. Es erfordert sehr viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung, mit diesem starken Lob im glaubwürdigen Rahmen zu bleiben. Beides fehlt Arbeitnehmern in der Zeugnisschreibung in der Regel, so dass ein Eigenentwurf je nach Charakter des Verfassers nicht selten zu bescheiden oder eben auch zu übertrieben ausfällt.

  5. Vermischung von Beschreibung und Wertung:

    Ein Zeugnis besteht aus einem wertfreien, beschreibenden ersten Teil (Werdegang, Aufgaben) und einem wertenden zweiten Teil (Leistung, Verhalten). Vielen Arbeitnehmern fällt diese Zurückhaltung im ersten Teil schwer und sie bewerten ihre Leistungen bei den einzelnen Aufgaben direkt mit ("Er war schwerpunktmäßig mit der Erstellung von Analysen betraut und erledigte diese Aufgabe vorbildlich").

  6. Vorgezogener Erfolg:

    Erfolge werden in Zeugnissen, als sorgsam vorbereiteter und begründeter Höhepunkt, am Ende der Leistungsbewertung genannt. Viele Arbeitnehmer wollen den Leser eines Zeugnisses aber möglichst frühzeitig von ihren Leistungen überzeugen und fallen sprichwörtlich mit der Tür ins Haus. Ihre Leistungsbewertung endet nicht mit Erfolgsbeispielen, sondern sie beginnt damit. Zur Erklärung: Der Leistungsteil eines wohl geordneten Zeugnisses formuliert nacheinander Angaben zu den drei theoretischen Aspekten Bereitschaft (Abschnitt 1), Befähigung (Abschnitt 2) und Fachwissen (Abschnitt 3), deren praktische Umsetzung dann mit der Arbeitsweise (Abschnitt 4) und dem allgemeinen Arbeitserfolg (Abschnitt 5) erörtert wird. Anschließend folgen die konkreten Erfolge bzw. Erfolgsbeispiele (Abschnitt 6), bevor der Leistungsteil mit der so genannten "Leistungszusammenfassung" mit dem Grad der Zufriedenheit endet.

  7. Fehlender roter Faden:

    Arbeitgeber oder Personaler haben bei der Formulierung eines Arbeitszeugnisses entweder ihren eigenen Stil oder sie orientieren sich am Stil eines (!) Fachbuch-Autoren. Auch wenn das Zeugnis vom Verfasser mithilfe einer (!) Software erstellt wird, liest es sich anschließend im Prinzip "wie aus einem Guss". Arbeitnehmer greifen bei der Zeugnisschreibung hingegen eher auf Formulierungen zurück, die sie aus dem Internet, aus Büchern und aus Zeugnissen von Bekannten zusammen gesucht haben. Das Sammelsurium verschiedener Formulierungsstile bzw. das Fehlen eines "roten Fadens" ist für Personaler leicht erkennbar. Manch ein Arbeitnehmer hat bereits zwei oder mehrere seiner Zeugnisse selbst erstellt oder an deren Erstellung mitgewirkt, so dass sich identische prägnante Abweichungen von der Norm in mehreren eigenen Zeugnissen wiederholen.

  8. Formulierungen aus Arbeitnehmer-Ratgebern:

    Neben einer geringen Anzahl an Fachbüchern für die Personalwirtschaft, die sich an Arbeitgeber und Personaler richten (u.a. aus dem Boorberg-Verlag und dem Haufe-Verlag), gibt es eine Vielzahl von Arbeitnehmer-Ratgebern. Die darin enthaltenen Musterformulierungen orientieren sich zwar weitgehend an den Profi- Ratgebern, aber gerade die geringen Abweichungen, z.B. gleicher Wortlaut bei anderer Satzstellung, sind prägnant.

  9. Rechtfertigung:

    Arbeitnehmer sind nicht verpflichtet, ihrem Arbeitgeber den Grund für eine Kündigung zu nennen. Daher wird eine Arbeitnehmerkündigung in einem Zeugnis ("Er verlässt uns auf eigenen Wunsch") in der Regel auch nicht näher begründet. Manchen Arbeitnehmern ist es hingegen ein Anliegen, im Eigenentwurf auf die genauen Motive einzugehen bzw. zu betonen, dass sie sich mit dem Wechsel in ein anderes Unternehmen beruflich verbessern konnten.

  10. Typische Form- und Rechtschreibfehler:

    Wer sich regelmäßig mit der Zeugnisschreibung beschäftigt - wie Arbeitgeber und Personaler - kennt die typischen Stil- und Rechtschreibfehler in Zeugnissen und vermeidet sie bewusst. Arbeitnehmer übersehen diese oftmals. Hierzu zählen z.B. groß geschriebene Personalpronomen ("Wir bedauern Ihr Ausscheiden") oder eine stilistisch uneinheitliche Aufgabenbeschreibung.

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