In Arbeitszeugnissen hat sich eine Sprache entwickelt, die die Leistung der Arbeitnehmer wahrheitsgemäß, aber auch mit verständigen Wohlwollen bewertet. Mehr als 30 000 gerichtliche Streitigkeiten pro Jahr sind dabei Ausdruck der zunehmenden Unzufriedenheit der Arbeitnehmer mit ihren Zeugnissen. Dabei dreht sich der Großteil der Streitigkeiten um die sogenannte Leistungszusammenfassung, die den Laien als „volle“ oder „vollste Zufriedenheit“ bekannt ist und welche die Gesamtnote des Arbeitszeugnisses darstellt. Auch Personalern ist diese Formulierung wohl bekannt, nur stellt diese nur eine von vielen entscheidenden Faktoren in der Lesart von Arbeitszeugnissen dar. Aber gibt es überhaupt eine einheitliche Art, wie Personaler Zeugnisse lesen?
„Nein“, sagt Vincent G.A. Zeylmans van Emmichhoven, erfahrener Karriere-Coach. Vielmehr gibt es umfassende Möglichkeiten, wie Personaler Zeugnisse lesen. Eine Option besteht beispielsweise darin, dass ein Personalverantwortlicher das Profil der gesuchten Stelle mit den Aufgaben im Arbeitszeugnis des Bewerbers abgleicht, um den Kandidaten mit einer möglichst hohen Profilübereinstimmung zu finden. Daher empfiehlt es sich, so Zeylmans, den Aufgabenteil möglichst prägnant und nach der Hierarchie der Aufgaben zu ordnen, um Personalern so einen schnellen Überblick zu ermöglichen. Aber auch Angaben zum Werdegang und zur Weiterentwicklung im Unternehmen sowie die damit verbundene spezifische Fachkompetenz können ebenso wie die Beschreibung konkreter Erfolge eine wichtige Rolle als Alleinstellungsmerkmal im Arbeitszeugnis spielen.
Strategische Überlegungen sind beim Austritt aus dem Unternehmen nicht zu unterschätzen. So sollte beim Grund des Ausscheidens auch die berufliche Planung berücksichtigt werden. Verlässt ein Arbeitnehmer das Unternehmen auf eigenen Wunsch und findet darauf aber keine Beschäftigung, so wirft der Entschluss Fragen auf, die im Zweifelfall im Bewerbungsgespräch argumentiert werden müssen, so Zeylmans.
Aber auch Leerstellen und stilistische sowie inhaltliche Fehler in Arbeitszeugnissen geben Personalern hilfreiche Informationen über die Bewerber. So gilt z. B. ein fehlender Dank/fehlendes Bedauern in einem Abschlusszeugnis als Indiz für Streit bzw. Probleme im Zusammenhang mit dem Ausscheiden. Ebenso kann die Datierung eines Abschlusszeugnisses außerhalb der regulären Fristen zum Monatsende oder zur Monatsmitte als Hinweis auf eine fristlose Kündigung verstanden werden. Unterzeichnet der Personaler unterhalb der maschinenschriftlichen Unterschrift, so wird dies als Distanzierung vom Zeugnistext interpretiert. Aber auch nicht monierte Rechtschreibfehler geben Personalern Hinweise über die nachlässige Sorgfalt des Zeugnisempfängers mit seinen Dokumenten.
Für Laien oft am schwersten zu erkennen sind Auslassungen in Arbeitszeugnissen. Unterschiedliche Berufsprofile erfordern dabei individuelle Bewertungen mit berufstypischen Leistungsattributen. Verzichtet der Personalverantwortliche z. B. auf die Bewertung der sorgfältigen Recherche eines Journalisten oder auf die kreative Leistung eines Designers, ist davon auszugehen, dass diese Kernkompetenzen hier nicht erwähnenswert waren (Note: mangelhaft).
Wie vielfältig die Auffälligkeiten in Arbeitszeugnissen sein können, belegen auch die regelmäßigen Studien von arbeitszeugnis.de, wie z. B.:
Die TOP TEN der ZeugnismängelThomas Redekop/arbeitszeugnis.de